Bei einer Anamorphose handelt es sich um ein perspektivisch stark verzerrtes Bilder, das nur unter bestimmten Bedingungen zu sehen ist.
Bei sogenannten katoptrischen Anamorphosen bzw. Spiegelanamorphosen werden Spiegel benötigt, die zylindrisch, konisch oder pyramidenförmig sein können. Im Video unten ist eine solche Anamorphose zu sehen, bei der ein Pferd mit Reiter beim Blick in den zylinderförmigen Spiegel erscheint. Das Produkt, das diese Anamorphose enthält, kann man hier kaufen.
Der Begriff katoptrische Anamorphose stammt vom altgriechischen Wort κάτοπτρον (katropton) – Spiegel. Der Begriff Anamorphose bedeutet so viel wie Umformung oder Umgestaltung und setzt sich aus den altgriechischen Worten μορφή (morphe) – Gestalt, Form und άνά (ana) – hin … über zusammen.
Neben den katoptrischen oder Spiegelanamorphosen gibt es optische und dioptrische Anamorphosen. Letztere müssen durch speziell geschliffene Gläser betrachtet werden, während man für optische Anamorphosen keine weiteren Hilfsmittel benötigt. Hier genügt es, diese unter einem bestimmten Blickwinkel zu betrachten.
Anamorphose: Beispiele aus dem Alltag
Typische Beispiele für Längenanamorphosen im Alltag sind Verkehrszeichen, die auf dem Boden aufgemalt sind wie etwa das Wort Stop oder das Piktogramm für einen Radfahrer. Sie alle sind in die Länge gezogen, damit sie Autofahrer und auch Fahrradfahrer aus der Entfernung und aus einem flachen Winkel heraus gut erkennen können. Auch 3D-Kunst benötigt manchmal den Blick aus der richtigen Richtung:
Zur Geschichte der Anamorphose
Von Leonardo da Vinci (1452-1519) stammt die erste bekannte Anamorphose (Folio 35 des Codex Antlanticus, ca. 1485). Es handelte sich dabei um ein einfaches Bild eines einzelnen Auges, bei dem sich das Dargestellte erst entschlüsselte, wenn man es aus dem richtigen Blickwinkel ansah. Das war im 15. Jahrhundert, also zu jener Zeit, als sich in der Kunst ein grundlegendes mathematisches Verständnis von Perspektive und Projektion entwickelte. Das wiederum war die Voraussetzung für das Erschaffen von Anamorphosen. Das sehr schlichte Bild des Auges kann man sich hier ansehen.
Eine weitere berühmte Anamorphose, die zum Beispiel auch bei Wikipedia zu diesem Thema genannt wird, ist in dem Gemälde „Die Gesandten“ von Hans Holbein dem Jüngeren von 1533 zu finden (s. Bild links). Klicken Sie auf das Bild und sehen Sie ganz genau hin. Finden Sie die Anamorphose? (Lösung s. unten)
Anamorphosen mit Spiegeln gibt es erst seit Ende des 16. Jahrhunderts und spätestens seit dieser Zeit beschäftigten sich zahlreiche Künstler mit diesem Thema. Davon zeugen zum Beispiel die unzähligen Deckengemälde in Kirchen und Palästen in ganz Europa. Die Kunst ist voller Beispiele für Anamorphosen.
Auch sollen Anamorphosen dazu gedient haben, verbotene oder auch pornografische Inhalte zum Beispiel vor der Kirche zu tarnen und zu verschlüsseln, aber schon zu reinen Unterhaltungszwecken oder als Kinderspielzeug hielten sie selbst in Privathaushalte Einzug. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts soll es in Europa einen wahren „Anamorphosenboom“ gegeben haben und sie dienten als Mittel optische Phänomene populärwissenschaftlich an den Mann bzw. die Frau zu bringen, wobei die physikalische Theorie des Lichts damals eigentlich noch in den Kinderschuhen steckte.
Im Science Center phaeno in Wolfsburg gibt es ebenfalls ein Beispiel für Anamorphosen zu bewundern. Hier steht eine verzerrte Bank vor einem Spiegel in Form einer Litfaßsäule. Schaut man sich die verzerrte Bank aus dem richtigen Blickwinkel in dem Spiegel an, so wird aus der seltsam geformten Bank plötzlich ein Stuhl (s. Bild links und rechts).
Eine schöne Zylinder-Anamorphose mit Spiegel ist in dem folgenden Video zu sehen.
Lösung zu der Anamorphose „Die Gesandten“ von Hohlbein: Bei dem weißen Fleck unten im Gemälde handelt es sich um einen verzerrten Totenkopf.
Quellen: Augsburger Anamorphosen des 18. Jahrhunderts von Thomas Eser (pdf). Originalveröffentlichung in: Paas, John Roger (Hrsg.): Augsburg, die Bilderfabrik Europas: Essays zur Augsburger Druckgraphik der Frühen Neuzeit. Augsburg 2001, S. 173 – 188. (Schwäbische Geschichtsquellen und Forschungen; 21)
Jürgen Becker: Anamorphosen, 2010, Vortrag
Unter diesem Link findet man die Software AnamorphMe, mit der man beliebige Bilder zu Anamorphosen umgestalten kann.